und der Rolle der Polizei hierbei
Am 21.07. fand in Wiesbaden anlässlich der Befragung von Peter Beuth zu den Datenabfragen durch hessische Polizist*innen im Zusammenhang mit den Drohschreiben die von “NSU 2.0” unterzeichnet wurden eine Kundgebung und anschließende Demonstration gegen rechtsextreme Netzwerke in der Polizei statt. Hier ist mein Redebeitrag:
Im Zusammenhang der mit NSU 2.0 unterzeichneten Drohschreiben kam heraus, dass Daten der Betroffenen über Polizeicomputer abgefragt wurden, im 1. Revier in Frankfurt und im 3. Und 4. Revier in Wiesbaden. Das sind die, von denen wir wissen. Und auch nur die, die in Zusammenhang mit dem NSU 2.0 stehen. Obwohl die erste Abfrage bereits im Jahr 2018 geschah und ab September 2018 ermittelt wurde, ist bis heute nicht klar, wer dahinter steckt.
Es geht hierbei nicht um verschwundene Waffen und Munition, nicht um unaufgeklärte Morde an Menschen in Polizeigewahrsam, nicht um Fälle von Racial Profiling… um nur ein paar Vorfälle der letzten Jahre zu nennen.
Meine Solidarität gilt allen Betroffenen. denen, die betroffen sind, weil sie sich öffentlich gegen Rassismus aussprechen, denen, die rechte Netzwerke aufdecken, denen, die aufgrund von Marginalisierung immer und immer wieder Opfer von Polizeigewalt werden. Mein Respekt gilt allen, die sich nicht mundtot machen lassen, die weiter für Freiheit und Gerechtigkeit kämpfen.
Meine Solidarität gilt nicht der Polizei. Und damit komme ich zu einem Aspekt, der in letzter Zeit immer wieder Thema ist, wenn neue rechtsextreme Netzwerke in der Polizei aufgedeckt werden, wenn öffentlicht Kritik an der Polizei geäußert wird. Es kommt zu einem reflexhaften „Aber doch nicht alle Polizist*innen, aber doch kein Generealverdacht und so weiter. Dem widerspreche ich aus zwei Gründen vehement, zuvor möchte ich aber anmerken, dass eine staatliche Institution, wie die Polizei, in einer rassistischen Gesellschaft in der wir leben niemals frei von Rassismus sein kann.
1. Individuelle Anschuldigungen erfüllen mitunter schnell einen Straftatbestand, ein an die gesamte Polizei gerichteter Vorwurf tut dies nicht.
2. Und dieser ist für mich der deutlich wichtigere: Auch wenn nicht jede Polizistin rechtes Gedankengut teilt, sich in rechtsextremen Netzwerken organisiert oder Racial profiling betreibt zieht sich Rassismus durch die gesamte Institution, Beamt*innen, die aus der Spur laufen werden isoliert und mundtot gemacht. Der Korpsgeist steht über allem.
Auf die rechtsextremen Polizist*innen, gegen die aktuell ermittelt wird, von Kolleg*innen, wir erinnern uns an den Korpsgeist, und auch hier dürfte die Dunkelziffer deutlich höher sein, kommen unzählige, die schweigen, tolerieren, nicht den Mund aufmachen und das Verhalten seit Jahren, wenn nicht Jahrzehnten mittragen. Es sind keine Einzelfälle, es handelt sich um eine auf Rassismus und Machtdemonstration aufbauende Institution, Teil der drei Säulen dieses Staates, der Exekutive mit dem staatlichen Gewaltmonopol, deren größte Gewerkschaft von rassistischen und anderen menschenverachtenden Positionen nur so strotzt.
Es ist wie mit der AfD: Nicht alle Wählerinnen und Mitglieder der AfD sind Rassistinnen, Faschistinnen und Antisemitinnen, aber sie unterstützen diese und bereiten ihnen den Weg.
Und weil dieses Bild immer noch verteidigt wird: Die Polizei ist kein Freund und Helfer. Dieses Bild wurde übrigens von Heinrich Himmler maßgeblich geschaffen, denn: „Die Polizei im nationalsozialistischen Deutschland hat es sich zum Ziel gesetzt, vom deutschen Volk als sein bester Freund und Helfer […] angesehen zu werden“ Eine Auseinandersetzung mit der eigenen Geschichte im Nationalsozialismus hat es nicht gegeben, dieses Bild hält die deutsche Polizei bis heute aufrecht, durch Marginalisierung und Diskriminierung zeigt sie sich als Freund und Helfer einer als „deutsch“ wahrgenommenen Bevölkerungsgruppe.
Die reflexhafte Relativierung muss aufhören. Das Märchen der „Einzelfälle“. Es kann und darf nicht länger geduldet werden, dass Opfern von Racial Profiling und Polizeigewalt eine Mitschuld gegeben wird. Ein Opfer ist niemals schuld, schuld sind immer und ausschließlich die Täter*innen. Ohne Diskussion.
Und deswegen fordere ich die Polizei auf, ihre Opferrolle endlich abzulegen! Ja, auch Polizist*innen sind Menschen und Menschen machen Fehler.
Wer aufgrund einer Sonderstellung die er/sie innehat, Menschen Rechtsextremen zum Fraß vorwirft, Menschen zusammenschlägt, ermordet oder ein solches Verhalten deckt ist aber Täter*in.
Ihr, und das geht auch und gerade an die anwesenden Polizist*innen, seid Kolleg*innen derer, die persönliche Daten aus rechtsextremen Motiven abgerufen haben, mindestens. Ihr habt ein staatliches Gewaltmonopol inne, ihr tragt Waffen, ihr seid entsprechend ausgebildet. Ihr habt Zugriff auf persönliche Daten. Ihr habt einen Auftrag und überschreitet eure Kompetenzen regelmäßig, weil ihr es könnt. Ihr schwört auf das Grundgesetz und genau dieses habt ihr zu verteidigen, sonst nichts. Es ist kein „Wir gegen Euch, es ist ein Ihr gegen uns!“
Es liegt nicht in eurer Zuständigkeit, darüber zu entscheiden, ob Anzeigen aufgenommen werden oder nicht, ihr müsst sie aufnehmen, über den weiteren Verlauf entscheidet die Staatsanwaltschaft. Auch und gerade bei Anzeigen gegen eure Kolleg*innen.
Ihr beurteilt auch keine Straftaten, das ist die Aufgabe von Gerichten.
Und auch das Schützen von Demonstrationen ist eure Aufgabe, sie sind kein Übel, wie ihr es oft darstellt, sondern letztendlich das einzige Mittel von Bürger*innen in einer Demokratie, auf Missstände aufmerksam zu machen.
Und deswegen fordere ich:
– unabhängige Beschwerdestellen für Opfer von Polizeigewalt.
– eine Auseindersetzung mit der Geschichte der Polizei im Nationalsozialismus und eine darauf basierende grundlegende Umstrukturierung der Polizei.
– den Rücktritt von Beuth
– die sofortige Freigabe aller NSU Akten
– die lückenlose Aufklärung rechter Netzwerke in der Polizei – die Wideraufnahme der Ermittlungen bei allen in Polizeigewahrsam „ungeklärt“ zu Tode gekommenen Menschen durch unabhängige Stellen, denn Mord verjährt nie!