Mir ist in den letzten Tagen nochmal ganz deutlich bewusst geworden, dass ich nichts zu verlieren habe. Ich lebe als Frau in einer patriarchalen Gesellschaft. Eine Gesellschaft, die darauf aufbaut, FLINTA zu unterdrücken, zu entmündigen, zu zermürben und letztendlich zu töten.
Ich lebe in einer Gesellschaft, in der Femizide letztendlich und in letzter Konsequenz als Teil einer Beziehung für FLINTA gesehen werden. Denn GENAU das sagt das Wort “Beziehungstat”, also eine Tat die Teil einer Beziehung ist, aus.
Ich lebe in einer Gesellschaft, in der FLINTA, die vergewaltigt werden eine Teilschuld bekommen, weil sie am Abend der Tat mit einem anderen Menschen geflirtet haben, weil sie ein eigenes und selbstbestimmtes Sexleben führen bzw. führen wollen.
Ich lebe in einer Gesellschaft, in der mir bei sexualisierter Gewalt eine (Teil-)Schuld gegeben wird, wegen meinem Verhalten, meiner Kleidung, den Orten, an denen ich mich aufhalte.
Ich lebe in einer Gesellschaft, in der FLINTA gesagt wird, was sie tun soll, um nicht Opfer von (sexualisierter) Gewalt zu werden und nicht den Tätern, was sie tun sollen, um keine Täter zu werden.
Und wenn ich diese Umstände konsequent zu Ende denke, lebe ich in einer Gesellschaft, in der ich mich nie “richtig” verhalten kann, trotzdem immer und immer wieder mit Übergriffigkeit rechnen und umgehen muss. In letzter Konsequenz lebe ich in einer Gesellschaft, die es billigend in Kauf nimmt, dass eine Beziehung für mich potentiell tödlich enden kann.
Wovor soll ich also noch Angst haben, wenn ich nicht länger nett bin, wenn ich nicht länger um Gehör bitte, sondern es mir verschaffe? Angst vor Gewalt? Angst vor Übergriffen?
Damit werde ich täglich, einfach aufgrund meines Seins, meines Frauseins, der Tatsache, dass ich eine FLINTA bin, konfrontiert.
Und dann kann ich auch laut sein. Dann will ich laut sein und unbequem. Und solidarisch mit anderen FLINTA. Dann will ich das Patriachat angreifen, wann immer es geht.
Denn: was soll denn noch passieren? Ich habe nichts zu verlieren!