Ich trage seit etwa 2,5 Jahren mal mehr, mal weniger Glatze. Da ich schon früher oft kurze Haare hatte und diverse Iros bin ich nicht davon ausgegangen, dass das irgendwie (anders) ein Thema sein könnte. Ist es aber. Und (unter anderem) deswegen habe ich entschieden, solange eine Glatze zu tragen, bis ich nicht mehr darauf angesprochen werde.
Eigentlich wollte ich nur meine schulterlangen Haare loswerden, durch einen kleinen Unfall hatte ich aber plötzlich inmitten der 3cm langen Haare einen 3mm langen Streifen, da musste der Rest eben auch ab.
Die ersten (teilweise krassen) Reaktionen erhielt ich am nächsten Tag auf der Arbeit. Eine Kollegin wurde richtig wütend und erklärte mir, dass es für Frauen nur zwei Gründe gäbe, sich eine Glatze zu schneiden:
1. Sie machen eine Chemo und verlieren deswegen ihre Haare
2. Eine enge Freundin oder Verwandte macht eine Chemo und verliert ihre Haare und sie rasieren sich aus Solidarität auch eine Glatze
Ich kann diese Aussage bis heute nicht nachvollziehen, will ich auch gar nicht. Trotzdem finde ich die Aussage dahinter erschreckend: Frauen haben (lange) Kopfhaare zu haben, außer sie haben keine Wahl…
Ich wurde (und werde) auch häufig von männlichgelesenen Personen (oft selbst mit Glatze) gefragt, warum ich DAS getan hätte, ich sei doch schließlich hübsch und eine Frau… Diskussionen darüber lassen sich auch nicht mit einem “Weil ich Lust hatte!”, es reicht einfach nicht, dass ich etwas mit meinem Körper tue, weil ich darauf Lust habe. Ich als Frau muss mich dafür rechtfertigen, warum ich dem Idealbild einer Frau, das andere haben, nicht gerecht werde oder gerecht werden will.
Inzwischen habe ich diese Diskussionen so oft geführt, dass sie mich nicht mehr aus dem Konzept bringen. Ich frage mich aber, wie fragil und beschränkt das Bild von Frauen sein muss, wenn die Kopfhaare so einen Stellenwert haben. Das erinnert mich etwas an die “Angst”, dass Kultur gefährdet ist, wenn eine bestimmte Art von Fleisch (nicht mehr) gegessen wird. Wenn Identität auf so etwas banalem und unwichtigen basiert, ist diese Identität in meinen Augen banal und unwichtig.
Für mich gibt es diverse Dinge, die dafür sorgen, dass ich mich (meistens) als Frau definiere und weiblich fühle. Meine Haare gehören für mich genauso wenig dazu, wie das Kinderbekommen.
Ich muss sogar sagen, dass ich mich mit Glatze deutlich weiblicher fühle, was vielleicht (auch) daran liegt, dass ich keine Haare mehr habe, die von meiner eigentlichen weiblichen Identität und ihren Facetten ablenkt.