Hier mein Redebeitrag zum feministischen Kampftag 2021 in Wiesbaden.
Sexarbeit ist Arbeit!
Generell:
Was ist Sexwork? Sexwork und Prostitution werden oft als identisch angesehen. Dabei ist Prostitution ein Teil von Sexwork. Zu Sexwork zählen auch alle anderen Arten sexueller Dienstleistungen, z.B. Pornos, Webcamangebote etc.
Warum Sexwork? Sexwork ist ein Begriff, den Sexworker*innen selbst geprägt und etabliert haben. Hinter der Bezeichnung steckt der Gedanke, Sexarbeit endlich als Arbeit anzuerkennen. Gleichzeitig soll eine klarere sprachliche Abgrenzung zur Zwangsprostitution gezogen werden, die immer noch und immer wieder in einem Atemzug mit Prostitution erwähnt wird. Dass Zwangsprostitution und Menschenhandel unter allen Umständen verboten werden müssen, steht außer Frage. Gesetze dazu gibt es aber bereits zu genüge, sie müssten nur angewendet werden.
In diesem Redebeitrag geht es aber um Sexarbeit.
Bis heute hat Sexwork auf vielen Ebenen keine Gleichstellung mit anderen Arbeiten. Bis heute werden Sexarbeitende gesellschaftlich, politisch und rechtlich stigmatisiert, ausgegrenzt und entmündigt. Sexarbeiter*innen müssen immer wieder betonen, dass sie ihrer Arbeit besonders gerne nachgehen, losgelöst von gesellschaftlichen Zwängen etc..
Aber ist die Entscheidung für sich selbst nicht Grund und Rechtfertigung genug? Muss nicht die Tatsache, dass diese Arbeit in Anbetracht der Lebensumstände der jeweiligen Person die beste Alternative ist, völlig ausreichen?
Kein anderer Berufszweig muss sich auf individueller Ebene immer und immer wieder rechtfertigen, um dann doch nicht als entscheidungsfähig gesehen zu werden. Wer hatte noch nicht den Gedanken, unter anderen Umständen einen anderen Beruf gewählt zu haben? Dieser Gedanke wird Sexarbeitenden abgesprochen bzw. gegen sie und ihre Arbeit verwendet. Und genau diese Haltung gegenüber Sexwork sorgt für eine Diskriminierung, für eine mitleidige Haltung, aber nie für den Gedanken oder Möglichkeit, dass Menschen sich bewusst für diese Arbeit entschieden haben.
Wenn wir fordern „My body-my choice“ dürfen wir anderen diese Entscheidungsmöglichkeit nicht absprechen, auch wenn wir persönlich diesen Weg nicht gehen möchten. Dann dürfen wir nicht Menschen ausgrenzen, weil sie ihr Leben anders führen, als es die eigene Vorstellung ist. Denn DANN bedienen wir uns den gleichen ausgrenzenden, zermürbenden und gefährlichen Mechanismen, gegen die wir uns stellen, wenn wir für das Recht auf Selbstbestimmung und gegen das Patriachat kämpfen.
Deutschland hat 2017 das sogenannte “Prostitutionsschutzgesetz” verabschiedet. Was heißt das konkret?
Das bedeutet konkret, dass Sexworker*innen mit Kund*innenkontakt sich bei mehreren offiziellen Stellen, zusätzlich zum Finanzamt, anmelden müssen, um eine Genehmigung für ihre Tätigtkeit zu erhalten. Dieser von Sexarbeitenden als Hurenpass bezeichnete Ausweis mit Lichtbild und Namen muss während der Arbeit jederzeit mitgeführt werden.
Zusätzlich muss eine regelmäßige verpflichtende Gesundheitsberatung durchgeführt werden. Bei dieser wird neben gesundheitlicher Aufklärung auch versucht, zu ermitteln, ob es sich um Zwangsprostitution handelt. Das Absurde: Durch die Schweigepflicht darf auch bei gesicherter vorliegender Zwangsprostitution keine Behörde informiert werden, solange die betroffene Person dem nicht zustimmt.
Räume, in denen Prostitution nachgegangen wird, müssen JEDERZEIT der Polizei zugänglich gemacht werden, also auch Privatwohnungen. In der Realität führt das Prostitutionsschutzgesetz” also dazu, dass Sexarbeitende mit Namen und Bild bei mehreren Stellen gemeldet sind, welcher andere Beruf erfordert das? Sexarbeitende können ihr Zuhause nicht mehr als sicheren Raum begreifen.
Das „Schutzgesetz“ schützt nicht, sondern drängt Sexarbeitende, die aus nachvollziehbaren Gründen nicht ihre Daten an diversee Stellen weitergeben wollen, in die Illegalität und erhöht damit die Gefahr, Opfer von Gewalt zu werden.
Gibt es Alternativen?
Das vielfach beworbene und als Lösung proklamierte nordische Modell: Freier und Zuhälter illegalisieren. Die Realität: Vermieter*innen, Partner*innen, kurz alle, die von der Sexarbeit wissen, werden kriminalisiert. Dies erhöht den Druck auf die Sexarbeitenden massiv, ohne sie auch nur ansatzweise zu schützen.
Corona: Verschärft die Situation, viele Sexarbeitende sind noch nicht lange genug in DE, um Gelder beantragen zu können, oder aus o.g. Gründen nicht offiziell als Sexworker*innen gemeldet. Ihnen stehen keine Gelder zu, sie müssen also trotz Verbot weiterarbeiten um ihre Existenz sichern zu können.
„Das Problem sind die Freier“
Nein! Das Problem ist die Gesellschaft, die immer wieder stigmatisiert, ausgrenzt, bevormundet. Das Problem ist das Doppelleben, zu dem diese Ausgrenzung führt. Das Problem sind Personen, die private bzw. nicht als Bordell erkennbare Arbeitsstellen öffentlich als solche beziffern. Es hat seinen Grund, warum Menschen nicht in Bordellen arbeiten.
Hört auf damit! Hört Sexarbeitenden zu, nehmt ihre Forderungen ernst und unterstützt sie in diesen! Sie sind die Profis in Bezug auf Ihre Probleme und Bedürfnisse.