Mono, Poly oder Anarchie?!

Beziehungskonzepte beschäftigen mich inzwischen die Hälfte meines Lebens. In meiner Pubertät war mir gar nicht klar, dass es etwas neben Monogamie geben könnte, gleichzeitig fand ich den Gedanken, dass ich nur einen Menschen lieben “darf” und mit diesem am besten bis an mein Lebensende lieben “muss” beängstigend. Fremdgehen erschien mir nie als eine Option, da ich Ehrlichkeit in einer Beziehung als sehr wichtige Grundlage ansehe.

Zum Glück sind mir relativ früh Menschen begegnet, die keine monogame Beziehung geführt haben, das führte bei mir zu dem Gedanken, dass ich vielleicht nicht “normal” bin, es aber anscheinend noch andere Menschen gibt, die es auch nicht sind. Und zu wissen, dass man wenigstens nicht alleine ist, kann sehr hilfreich sein.

Und dann habe ich das erste Mal in einer längeren Beziehung angesprochen, dass ich mich gerne auch mit anderen Menschen treffen würde. Mein damaliger Partner fiel aus allen Wolken, suchte “den Fehler” bei sich, letztendlich ging die Beziehung daran kaputt.

Für mich fing es damals an, dass meine Gedanken sich in Bezug auf meine Beziehungswünsche änderten, aus der Zeit kommt auch mein bis heute gültiger “Pfannkuchenvergleich”:
Ich liebe Pfannkuchen, aber deswegen will ich sie nicht jeden Tag essen müssen oder vollständig auf sie verzichten. Das macht sie auch nicht besser oder schlechter als anderes geiles Essen, nur anders.
Und ging es mir zu Beginn noch um eine rein sexuelle Ebene, habe ich im Laufe der Zeit festgestellt, dass ganz unterschiedliche Bedürfnisse von mir von ganz unterschiedlichen Menschen befriedigt werden. Teilweise gibt es Überschneidungen, teilweise nicht.

Inzwischen vertrete ich den Standpunkt, dass ich es einem Menschen gegenüber einfach nur ungerecht finde, zu erwarten, dass er all meine Bedürfnisse befriedigen kann und will. Umgekehrt kann und will ich das auch nicht! Das führte bei mir auch dazu, dass ich begann, mich mit unterschiedlichen Beziehungsmodellen zu beschäftigen. Und meinen Beziehungsbegriff zu überdenken und neu zu definieren.

Es gibt Menschen, die nicht zu meiner biologischen Familie gehören, die mir aber unglaublich wichtig sind und die einen wichtigen Platz in meinem Leben einnehmen, völlig ohne sexuelle Ebene.
Es gibt Menschen, mit denen ich auf sexueller Ebene eine Beziehung habe, ohne amouröse Aspekte. Es gibt Menschen, die in meinem Bauch ein Kribbeln auslösen, mit denen ich mir aber eine sexuelle Ebene nicht vorstellen kann. Es gibt Menschen, mit denen ich gerne lache, kämpfe, streite. Menschen, mit denen ich gerne feiern gehe. Menschen, von denen ich mich gerne umsorgen lasse, wenn ich meine Menstruation habe. Und es gibt unglaublich viel dazwischen.

In einer heteronormativen Gesellschaft gibt es den*die eine*n Partner*in, der über allen anderen Beziehungen steht bzw. der*die Sinnbild für die eine Beziehung ist. Das will ich für mich nicht, das ist auch nicht das, was ich fühle.

Ich führe mit verschiedenen Menschen Beziehungen auf unterschiedlichen Ebenen. Und die Menschen die mir nahe sind, sind mir, unabhängig von der konkreten Ebene nah und ich will ihnen nah sein (können). Ich will mich (immer und immer wieder) verlieben dürfen, weil das einfach ein wunderschönes und positives Gefühl ist. Ich will nicht nur Pfannkuchen essen dürfen. Für immer.

Ich will die Beziehung zu Menschen nicht gewichten, weil ich mit den Menschen Sex habe oder nicht. Weil es eine dauerhafte Zukunft geben kann oder nicht. Ich will keine Pläne mit Menschen machen, ich will genießen, wenn sie da sind und sie wertschätzen. Und wenn es gut ist und sie bleiben, ist das schön.
Aber vor allem will ich niemals einen Anspruch auf einen anderen Menschen erheben oder von einem anderen Menschen auf mich erheben lassen.
Und deswegen bin ich mit Monogamie groß geworden, an Polyamorie gewachsen und zur (Beziehungs-)Anarchistin geworden.

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